Änderungswesen

Technische Änderungen gehören zu den wichtigsten Prozessen im Produktlebenszyklus. Produkte erfahren nicht nur im Laufe ihrer Entwicklung, sondern auch in ihrem weiteren Lebenszyklus eine Vielzahl von Änderungen, um sie sicherer, komfortabler, moderner und effizienter zu machen oder kostengünstiger herstellen zu können.

Das Änderungswesen (engl. Engineering Change Management, abgekürzt ECM) beschreibt Funktionen und Prozesse, um Änderungen an Produkten kontrolliert und dokumentiert vorzunehmen.1 Hinter jedem modifizierten Produktdetail steht eine Fülle an Änderungen im Konstruktions- und Produktionsprozess aller beteiligten Unternehmen. Diese Änderungen können Auswirkungen auf Qualität, Kosten und Liefertermin haben und müssen deshalb systematisch geplant und so zeitnah und kosteneffizient wie möglich partnerübergreifend abgestimmt und umgesetzt werden.2 Dies gilt insbesondere für Änderungen kurz vor Produktionsstart oder wenn das Produkt bereits in der Serie ist. Je näher die Serienreife rückt, desto kostspieliger werden Änderungen.

Änderungswesen erfordert Integration zwischen PLM und ERP

Das Änderungswesen zielt darauf ab, Änderungen zeitnah und wirtschaftlich im Produktionsablauf oder im Betrieb einer Anlage umzusetzen. Dabei ist eine enge Verzahnung von Entwicklung und Konstruktion, wo das virtuelle Produkt entsteht, mit der Planung und Produktion des physischen Produkts erforderlich. Studien wie beispielsweise jene zur Entwicklung eines fortschrittlichen CMII-basierten ECM-Frameworks unterstreichen die Bedeutung und Notwendigkeit der Integration von PLM und ERP für reibungsloses Management technischer Änderungen in der Praxis.3



Überblick über das erweiterte CMII-basierte ECM-Framework (in Anlehnung an Wu et al., 2014)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

PLM-Systeme als Datendrehscheibe des ECM

PLM-Systeme als Datendrehscheibe für alle produktdefinierenden Daten und Dokumente helfen im komplexen Umfeld des technischen Änderungswesens den Überblick zu behalten.4 Artikel und Stücklisten wurden früher in der Regel im ERP-System angelegt und gepflegt. Das hat sich mit dem wachsenden Leistungsumfang der PLM-Lösungen und den immer besseren Schnittstellen gewandelt. Immer mehr Unternehmen entscheiden sich dafür, Artikelstammdaten und Stücklisten im PLM-System anzulegen. PLM-Systeme sind dafür konzipiert, die sich verändernden Produktdaten über den gesamten Lebenszyklus zu verwalten. Es liegt daher auch in der Natur des Änderungswesens, dass die zentralen ECM-Prozesse (ECR, ECO, ECN) im PLM-System abgebildet werden. Durch die Schnittstellenqualität und Zusatzfunktionen für die Synchronisation von Konstruktions- und Fertigungsstücklisten stellen leistungsfähige PLM-Systeme ein reibungsloses Zusammenspiel zwischen konstruktiven und logistischen Prozessen sicher. Damit werden auch Lücken geschlossen und Systembrüche vermieden, die beim konventionellen, ERP-gesteuerten fertigungszentrierten Änderungswesen bestehen.

PLM-Funktionen zur Planung und Durchführung technischer Änderungen

  • Workflow-gestützte Abläufe werden von elektronischen Änderungsmappen begleitet, in denen alle von der Änderung betroffenen Bauteile, Modelle und Dokumente zusammengeführt werden, um sie durch den Prozess zu schleusen.
  • PLM trägt maßgeblich zu einer Vereinheitlichung der Änderungsprozesse bei, die in vielen Unternehmen von Produktbereich zu Produktbereich oder von Standort zu Standort variieren. Gleichzeitig sorgt das PLM-gestützte Engineering Change Management für Transparenz im Änderungsprozess, da für alle Beteiligten jederzeit ersichtlich ist, welches der aktuelle Änderungsstand ist.
  • In Abhängigkeit vom Reifegrad des Produktes im Entwicklungsprozess oder von der technischen Struktur einer Anlage können unterschiedlich komplexe Workflows definiert werden – bei Änderungen nach der Beschaffungsfreigabe muss eventuell der Einkauf einbezogen werden, damit er prüfen kann, ob das geänderte Bauteil bereits bestellt ist und die Bestellung storniert werden muss.
  • Komplexe Abläufe im Änderungsprozess mit einer Vielzahl von Beteiligten können stärker parallelisiert werden.



Prozessmodell des Engineering-Change-Workflows

 

Standards & Normen: VDA Empfehlung 4965

Durch Harmonisierung und Standardisierung der Teilprozesse eines Änderungsvorhabens soll die Bearbeitungszeit zwischen Partnern reduziert, die Prozessqualität und -sicherheit gesteigert werden. Pilotprojekte bewiesen bereits sehr erfolgreich die Wirksamkeit der VDA-Empfehlung 4965.5 In neuen Projekten und Partnerschaften können mit den Modulen der Empfehlung an die 60 Prozent Abstimmungsaufwand und über 40 Prozent Zeitersparnis allein im Änderungsantragswesen (Engineering Change Request, ECR) erreicht werden. Die Empfehlung beschreibt mithilfe standardisierter Bausteine einen kompletten Referenzprozess für den partnerübergreifenden Durchlauf von Änderungsvorhaben, von der Auslösung über die Bewertung bis hin zur Umsetzung (siehe Arbeitskreis Product Lifecycle Management).2

Agiles Änderungswesen

Eine besondere Herausforderung ist die Abbildung des technischen Änderungsprozesses in einer Umgebung, in der die Produktentwicklung bereits mit agilen Methoden wie zum Beispiel Scrum arbeitet. Für den agilen Prozess ist ein schnelles und flexibles Handling von Aufgabenstellungen notwendig. Aufgrund des unvorhersehbaren Charakters und der kurzen Zeit einzelner Task-Items, schlagen neue Ansätze vor, alle Änderungen in einer übergeordneten Änderungsnotiz als Standardobjekt in der Produktstruktur zu sammeln und diesen Master-Änderungshinweis beliebig oft zu aktualisieren. Diese Änderungsnotiz soll einem Produkt während seines seinem gesamten Lebenszyklus zugeordnet bleiben.Eine andere Möglichkeit wäre, Change Requests mit denselben Mitteln zu erfassen und zu bewerten werden wie sonstige Anforderungen. Damit können sie in die Planung der aktuellen Sprints einfließen. Die Zusammenhänge zwischen Änderungsanforderungen, Projekt, Sprint und Arbeitsgegenständen beziehungsweise zu ändernden Objekten bleiben durch das PLM-System als Datendrehscheibe transparent und persistent erhalten.

Enterprise und Global Change Management

Viele Änderungen betreffen nur zum Teil oder gar nicht die Produktentwicklung und Fertigung, sondern auch ganz andere Unternehmensbereiche wie Hersteller- oder Materialfreigabe, Projektfreigabe, Produktions-, Logistikänderungen, Budgetanträge, Compliance-Änderungen und dergleichen. Darüber hinaus überschreitet der Änderungsprozess häufig auch Abteilungs-, Standort- und Unternehmensgrenzen, was lokations- und organisationsübergreifendes Change Management erfordert. Global Change Management muss alle an den jeweiligen Änderungen beteiligten Prozesse und Systeme einbinden und steuern.

Instrumente wie Change Cockpits oder Dashboards ermöglichen in solchen Fällen Überblick. Hintergrundtechnologien sorgen für Prozesssteuerung, reibungslose Kollaboration und Datenaustausch, was zum Standard-Repertoire von PLM-Systemen zählt. Leistungsfähigere Systeme stellen erweiterte Interoperabilität und umfassendes Schnittstellenmanagement auf Basis von WebServices sicher. In Szenarien wie Enterprise und Global Change Management bleiben die Änderungsprozesse nicht mehr nur den klassischen technischen Bereichen vorbehalten, sondern berühren Anwender und Organisationseinheiten aus allen betroffenen Unternehmensbereichen.

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    Quellen

    Wikipedia: Änderungswesen (eingesehen am 17.12.2018).
    VDA: Der Arbeitskreis Product Lifecycle Management (PLM) (eingesehen am 17.12.2018).
    Wu, Wen-Hsiung; Fang, Lung-Ching; Wang, Wei-Yang; Yu, Min-Chun & Kao, Hao-Yun: An advanced CMII-based engineering change management framework: the integration of PLM and ERP perspectives (eingesehen am 17.12.2018).
    IT&Production Online: Engineering Change Management (eingesehen am 17.12.2018).
    prostep ivip: VDA Empfehlung 4965 (eingesehen am 17.12.2018).
    Researchgate.net: An Approach for Agile Engineering Change Management Within Global Product Development (eingesehen am 24.02.2021)

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